Multifunktionale Biomaterialien

Foto: Foltan/ATB

ATB als Partner im neuen DFG-Sonderforschungsbereich: Pilze als Baumaterialien

Schäben unterschiedlicher Qualität (oben), Mycel-Verbund (mitte) und daraus gepresste Werkstoffplatte (unten). Foto: Lühr/ATB

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat den neuen Sonderforschungsbereich (SFB) 1743 „MY-CO BUILD: Biotechnologische Herstellung, Charakterisierung und Nachhaltigkeitsbewertung pilzbasierter Baumaterialien“ bewilligt. In diesem interdisziplinären Verbund forscht das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) gemeinsam mit der Sprecherhochschule TU Berlin und weiteren renommierten Partnern an der Erschließung und Optimierung von Pilzmaterialien als innovative und biologisch abbaubare Baustoffe.

Grundlagenforschung für eine neue Materialklasse

Der SFB „MY-CO BUILD“ erhält in den kommenden vier Jahren eine Förderung von 10,3 Millionen Euro und widmet sich der Grundlagenforschung zu pilzbasierten Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen der Agrar- und Forstwirtschaft. Pilze – genauer gesagt deren Myzel – werden als biologische Stütz- und Bindestruktur genutzt, um Substrate zu stabilen und dabei leichten, dämmenden Werkstoffen zusammenwachsen zulassen. Diese pilzbasierten Materialien werden ohne weitere Bindemittel oder Hilfsstoffe hergestellt und sind biologisch abbaubar.

Das Ziel der Forschenden ist es, wissenschaftliche Grundlagen für definierte Herstellungsprozesse und reproduzierbare Eigenschaftsprofile von pilzbasierten Materialien zu legen. Erstmals werden in diesem SFB verschiedene Fachdisziplinen – von der Biologie über Mechanik und Physik bis hin zur Architektur – zusammengeführt, um die physikalischen, chemischen, thermischen, akustischen und architektonischen Eigenschaftsprofile dieser Materialien ganzheitlich zu untersuchen. Ergänzt wird die Forschung durch die Entwicklung neuer mathematischer Modelle und den Einsatz von KI-basierten Vorhersagen zur Nachhaltigkeit und Alterungsbeständigkeit der Baustoffe.

Vom Substrat zur optimalen Materialgrundlage

Das ATB ist mit dem Teilvorhaben „Pretreatment and stabilisation of lignocellulosic substrates for fungal composites“ am SFB 1743 beteiligt und bringt seine Expertise im Bereich der stofflichen Nutzung von agrarischer und holzbasierter Biomasse in das Verbundvorhaben ein. Der Fokus liegt dabei auf der Bereitstellung und Vorbehandlung der pflanzlichen Substrate, die als Nährboden und Gerüst für das Pilzwachstum dienen.

Die zentralen Forschungsfragen zielen darauf ab, die Qualität und Vorhersagbarkeit der Substratversorgung zu optimieren. Definiert werden sollen zum einen der Einfluss von Lagerung und Vorbehandlung auf die Eignung pflanzlicher Substrate, wie z.B. Hanfschäben, für die Herstellung der Pilzverbundwerkstoffe. Zum anderen sollen Anpassungsmöglichkeiten der Substratstruktur und ‑zusammensetzung für ein optimales Pilzwachstum mittels thermo-physikalischer Prozesse evaluiert werden.

Das Forschungsteam des ATB baut dabei auf seine umfangreiche Erfahrung im Hanfanbau und der Gestaltung der Nacherntephase und Lagerung auf. Im programmbereichsübergreifenden Verbund mit den Arbeitsgruppen „Bioeffiziente Verarbeitung von Lebensmitteln“ (Dr. O. Schlüter) sowie „Mikrobiom-Management“ (Dr. A. Abdelfattah) umfassen die Arbeiten:

  • Grundlagenuntersuchungen und Modellierungen zur Bereitstellung und Charakterisierung des Hanfsubstrats
  • Entwicklung und Anwendung thermo-physikalischer Vorbehandlungsverfahren (auch für holzbasierte Substrate)
  • Analysen der Morphologie, der chemischen Zusammensetzung sowie des Mikrobioms der Substrate nach Ernte, Lagerung und Vorbehandlung.

Dr. Hans-Jörg Gusovius, Arbeitsgruppenleiter „Verfahrenstechnik für Faserpflanzen“ am ATB, freut sich auf die kommenden Herausforderungen: „Die Bewilligung des SFB „MY-CO BUILD“ ist eine herausragende Nachricht und ein großer Erfolg für alle beteiligten Partner. Dieses Großprojekt eröffnet dem ATB die einzigartige Chance, unsere langjährige Expertise in der Bereitstellung und Charakterisierung von Agrarbiomasse – insbesondere von Hanf – direkt in die Entwicklung einer neuen, nachhaltigen Materialklasse einzubringen. Ich blicke mit großer Spannung und Optimismus auf die Zusammenarbeit. Die interdisziplinäre Aufstellung des SFB bietet uns die einmalige Möglichkeit, gemeinsam die wissenschaftlichen Grundlagen zu schaffen, um Pilzmaterialien zukunftsfähig für die Bauwirtschaft zu machen.“

Die Forschung im SFB 1743 „MY-CO BUILD“ steht in direktem Einklang mit der systemisch-technischen Bioökonomieforschung am ATB. Die Entwicklung neuer, biologisch hergestellter und abbaubarer Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen schafft wissenschaftliche Grundlagen für die Transformation hin zu einer nachhaltigen, biobasierten Kreislaufwirtschaft. Mit der Etablierung dieser neuen Materialklasse unterstützen wir die High-Tech-Agenda der Bundesregierung direkt und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung einer zukunftsfähigen, biobasierten Welt.


Über den SFB 1743:

Beteiligte Institutionen am SFB 1743 „MY-CO BUILD: Biotechnologische Herstellung, Charakterisierung und Nachhaltigkeitsbewertung pilzbasierter Baumaterialien“: 

TU Berlin
TU München
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Hochschule Bochum
Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim e.V. (ATB)
Aalborg University

Fördervolumen: 10,3 Mio Euro
Laufzeit: 2026 – 2029

Pressemitteilung der TU Berlin zum SFB 1743: https://www.tu.berlin/news/detail/baumaterialien-aus-pilzen


Kontakt:
Dr. Hans-Jörg Gusovius
Arbeitsgruppenleiter Verfahrenstechnik für Faserpflanzen
Telefon: +49 331 5699-316
E-Mail: hjgusovius@spam.atb-potsdam.de

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