Biobasierte Chemikalien
Multifunktionale Ausgangsstoffe für die Kunststoffe von morgen.Biobasierte Chemikalien sind ein wesentlicher Baustein für eine zukünftige Bioökonomie, in der angesichts wachsender Plastikmüllberge, Umweltschäden und Klimawandel regenerative die bisher üblichen fossilen Rohstoffe zunehmend ersetzen sollen.
Biobasierte Chemikalien wie Milchsäure oder Bernsteinsäure sind Grundstoffe für die Herstellung verschiedener Produktgruppen wie Kosmetika, Farben oder Lösungsmittel. Hohes Wertschöpfungspotenzial hat die Weiterverarbeitung zu biobasierten Kunststoffen. Polymilchsäure (PLA) ist ein vielseitig einsetzbarer biobasierter Kunststoff, der sich zur Produktion von z.B. Lebensmittelverpackungen, Mulchfolien oder Textilfasern eignet und in bestimmten Umgebungen biologisch abbaubar ist. Ein Mischen von PLA mit Naturfasern wie Hanf, Lein oder Nessel erweitert das Anwendungsspektrum zusätzlich.
Dezentrale Bioraffineriekonzepte zur Nutzung von Reststoffströmen
Ziel unserer Forschung ist es, Technologien und Bioraffineriekonzepte zur effektiven biotechnologischen Konversion von kohlenstoffhaltigen Reststoffen zu biobasierten Chemikalien zu entwickeln bzw. bestehende Verfahren zu optimieren. Im Fokus stehen Bioraffineriekonzepte für dezentrale und kleintonnagige Anlagen, die auf die Verwertung saisonal wechselnder Einsatzstoffe eingestellt sind.
Aus Abfall Wertstoffe gewinnen
Eine zentrale Forschungsaufgabe ist es daher, verschiedene Reststoffe, die regional bis global in der Agrarwirtschaft und Lebensmittelindustrie in großen Mengen anfallen, auf ihr Potential zur stofflichen Nutzung im biotechnologischen Verfahren zu untersuchen – von Zuckerrohrabfällen über Reiskleie bis hin organischen Fraktionen aus der Reststofftonne oder Baumwollfasern in Textilabfällen.
Den Prozess optimieren
Neben einer Erweiterung des Roh- bzw. Reststoffspektrums steht die Optimierung der einzelnen Prozessschritte in unserem Forschungsfokus – im Scale up vom Batchverfahren im Labormaßstab bis hin zum industrienahen kontinuierlichen Verfahren in der ATB-eigenen Pilotanlage.
Erster Verfahrensschritt ist der Biomasseaufschluss. Für die Fermentation mit Hilfe von Mikroorganismen müssen die in der Biomasse gebundenen Zucker in Lösung gebracht werden. Je nach Art des Ausgangsstoffes sind mehrere Aufbereitungsprozesse zu durchlaufen – physikalisch, chemisch, enzymatisch. Lignocellulose-haltige Reststoffe wie Stroh oder Holz stellen dabei eine besondere Herausforderung dar.
Mikroorganismen – Schlüssel zur Produktvielfalt
Im Fermenter, dem Herzstück der biotechnologischen Anlage, verstoffwechseln hochspezialisierte Mikroorganismen Zucker zu Endprodukten wie Milchsäure. Welche Mikroorganismen meistern die biotechnologische Stoffwandlung am effizientesten? Das ATB kann hier auf eine eigene Sammlung von Bakterienstämmen (u.a. Lactobacillus und Bacillus coagulans) zurückgreifen, die im Ergebnis der Forschung laufend erweitert wird. Die Vielfalt der Mikroorganismen macht es möglich, passgenau biobasierte Chemikalien für neuartige Anwendungen zu produzieren, die den spezifischen Anforderungen bei der Weiterverarbeitung durch die chemische Industrie entsprechen.
Reinigen und konzentrieren
Nach der Fermentation müssen die biobasierten Chemikalien im Downstreaming aus der Fermentationslösung abgetrennt, gereinigt und konzentriert werden. Wir setzen hierfür Membran- oder elektrophysikalische Technologien ein und entwickeln das Verfahren weiter, um vielstufige Aufarbeitungsprozesse zu vereinfachen.
Ausgewählte Projekte zum Thema
-
Das auf drei Jahre angelegte CAFIPLA-Projekt erarbeitet einen neuartigen Ansatz der Vorbehandlung von Biomasse für bioökonomische Anwendungen. Die Bereitstellung und Nutzung von Biomasse ist häufig mit hohen Kosten verbu…
-
Das Projekt PERCAL zielt darauf ab, städtischen Hausmüll (MSW - municipal solid waste) als Ausgangsmaterial zu nutzen und daraus chemische Zwischenprodukte mit hohem Reinheitsgrad und hoher Ausbeute zu erzielen, die von …
-
Hauptziel des Projektes CELLULAC ist das Scale-up der Technologie eines innovativen Verfahrens, bei dem die Herstellung von Milchsäure (LA) als Produkt mit hoher Wertschöpfung aus Cellulose erfolgt. Im Rahmen des Projekt…
-
Im Projekt HyAlt4Chem werden Verfahren zur Nutzbarmachung von Recycling- und Altholz für Basischemikalien nach entsprechender Vorbehandlung erarbeitet und optimiert. Dabei wird am ATB am Beispiel Milchsäure die Fermenti…
Weitere Projekte zum Thema suchen ...
Ausgewählte Publikationen
- Olszewska-Widdrat, A.; Alexandri, M.; López Gómez, J.; Schneider, R.; Venus, J. (2020): Batch and Continuous Lactic Acid Fermentation Based on A Multi-Substrate Approach. Microorganisms. (7): p. 1084. Online: https://www.mdpi.com/2076-2607/8/7/1084
- Schroedter, L.; Schneider, R.; Remus, L.; Venus, J. (2020): L-(+)-Lactic Acid from Reed: Comparing Various Resources for the Nutrient Provision of B. coagulans. Resources. (7): p. 89. Online: https://doi.org/10.3390/resources9070089
- López Gómez, J.; Alexandri, M.; Schneider, R.; Venus, J. (2019): Assessing the organic fraction of municipal solid wastes for the production of lactic acid. Biochemical Engineering Journal. (Oct): p. 107251. Online: https://doi.org/10.1016/j.bej.2019.107251
- Demichelis, F.; Fiore, S.; Pleissner, D.; Venus, J. (2018): Technical and economic assessment of food waste valorization through a biorefinery chain. Renewable & Sustainable Energy Reviews. (Oct): p. 38-48. Online: https://doi.org/10.1016/j.rser.2018.05.064
- Olszewska-Widdrat, A.; Alexandri, M.; López Gómez, J.; Schneider, R.; Mandl, M.; Venus, J. (2019): Production and purification of L-lactic acid in lab and pilot scales using sweet sorghum juice. Fermentation. (2): p. 36. Online: https://doi.org/10.3390/fermentation5020036
Weitere Publikationen zum Thema suchen ...